Das Buch über Röhren, Radiolautsprecher und Retro-HiFi.
Und über Musik.
Ein Kapitel aus dem Buch von Götz Wilimzig
/ Rüdy Gysemberg.
Diese Seite ist ein Vor-Abdruck, mit freundlicher Genehmigung von Herrn
Dr. Götz Wilimzig.
Ein Buch das ab dem 4. Quartal 2002 erhältlich sein wird. - Die
Authoren werden nochmals am Ende dieser Seite, mitsamt eMailadresse
(falls noch Fragen offen geblieben sind) benannt. Ebenfalls werden im
Anhang einige Alnico-Lautsprecherchassis gezeigt, wobei einige der
Fotos auch im Buch wiederzufinden sind.
Mit einem Kommentar zum mittlerweile erschienenen
Buch von mir (Jogi), am Ende dieser Seite.
Aus dem Anfang des Buches:
Warnung: Dieses Buch enthält unzensiertes Material, das den
Glauben an die Hifi-Industrie
und ihre Hofberichterstattung verletzen könnte. Zufriedene
Anlagenbesitzer sollten nicht
weiterlesen und sich an den lokalen Dealer ihres Vertrauens wenden. Wer
weiterblättert erklärt,
dass er volljährig ist und schon vorher selbständig denken und löten
konnte. Die Autoren haften
nicht für Folgeschäden, insbesondere nicht solche an der heimischen
Anlage oder beim
häuslichen Frieden, auch nicht bei sonstigen Nebenwirkungen.
Kapitel 9 : Das Beste sind Originale
9.1 Historisch – und das ist gut so
Der ideale Lautsprecher vereint mindestens die folgenden Eigenschaften
auf sich. Er strahlt den Schall direkt ab, arbeitet ohne
Frequenzweiche, die viel zu viele Fehler macht, benutzt also
Breitbandchassis, wandelt möglichst viel der reingesteckten
elektrischen Energie in Klang um, ist also höchstempfindlich, und
leicht anzutreiben, sprich, benötigt seitens der Endstufe keine
irrwitzigen Dämpfungsfaktoren, ist überdies noch entsprechend klein, um
sich in ein vierzig bis fünfzig Liter großes Gehäuse einbauen zu
lassen, schließlich soll er ja wohnraumtauglich sein, und dann sind da
noch ein paar nachgeordnete, leider aber nicht unwichtige Forderungen
..... kurzum, die Suche nach dem heiligen Gral ist auch nicht
komplizierter. Und er wird heute nirgendwo mehr produziert - wers nicht
glaubt, wird im Handel abgestraft. Aber er wurde mal gebaut. Vor allem
in alten Radios, die damals das Monatseinkommen eines
Durchschnittsverdieners kosteten, wenn sie zur besseren Sorte gehörten.
Da waren die Chassis freilich in Radiogehäuse eingesperrt, die
akustisch nicht das Gelbe vom Ei waren, aber teilweise toll aussahen.
Es gab jedoch auch separate Schallwandler, wie der Blick in alte
Funkschau-Hefte zeigt. Wer Röhre will, wer Magie will, kommt daran
nicht vorbei. Warum das so ist, und dass wir nicht die ersten sind, die
das entdecken, davon wird später die Rede sein.
9.2 Die Magie der höchstempfindlichen Schallwandler
Hohe Empfindlichkeit heute - das ist ein Synonym für Lowther. Ein
höchstempfindliches Chassis für alle Frequenzen – es gibt niemanden in
der gesamten Branche, der diese Fahne so geschwenkt hätte wie Lowther.
Und deswegen verdient sich diese weltbekannte Chassis hier die erste
Erwähnung. Dabei sind diese englischen Chassis nicht besonders
empfindlich, wie Frequenzschriebe von L’Audiophile (No.26; Dez.1982)
und der Münsteraner Lautsprecherbibel (Michael Gaedtke; Das
Lautsprecherjahrbuch 1987) belegen, denn im Bereich unterhalb von 1 Khz
lassen Sie einen ausreichenden Wirkungsgrad schmerzlich vermissen. Das
war früher einmal anders, worauf L’Audiophile hinweist. Und deswegen
sind sehr frühe Lowther-Chassis – wenn sie denn noch laufen! - so
außerordentlich gesucht und begehrt. Dieter Kirchhoff, deutscher
Lowther-Spezialist und ein um Seriosität aüßerst bemühter Mann, spricht
nicht generell von Empfindlichkeit, sondern davon, dass sich in
Hornkonstruktionen Empfindlichkeit einstellt. Kein Wunder. In einem
Horn sind die meisten Schallwandler "hochempfindlich", wie uns Bruce
Edgar mit einem stinknormalen Dynaudio-Chassis lang und breit
demonstriert hat. Aufgrund seines drastischen Schalldruckabfalles im
Grundton und im Baß suchen Besitzer dieses Chassis nach dem Horn, das
genau die Schwächen des Lowther korrigiert. Lowther-Gläubige werden
nicht müde, einem freudestrahlend zu berichten, nun endlich hätten sie
ein besseres gefunden. Die Zahl der angeblichen Lösungen wächst und
wächst. Leider folgen Hörner akustischen Gesetzmäßigkeiten, die nicht
vom Chassis abhängen. Und so passen die Lowther-Schwächen und die
Hörner auf ewig nicht zusammen.. Was soll der Triodenfreak, erst recht
derjenige, der aus klanglichen Gründen Röhren kleiner Leistung
bevorzugt, also tun?
9.3 Irr- und Auswege
Wir können die Idee des Breitbänders fallenlassen. Dann landen wir etwa
bei Focal-Chassis mit Polyglass-Papiermembran und zwangsweise bei Zwei-
oder Dreiwege-Konzeptionen mit allen sattsam bekannten Nachteilen. Das
ist nicht jedermanns Sache. Immerhin ist dabei der Bereich der Mitten
halbwegs heile geblieben.
Oder wir folgen der Spaltungstheorie, hacken das Ei respektive den
Frequenzbereich mittendurch und hoffen, dass das dann gut geht. Dann
landen wir bei dicken Profibässen (38 cm) mit Hochtonhorn Marke Voice
of the Theatre und den vielen artgleichen Konstruktionen. Auch das ist
nicht jedermanns Leidenschaft. Oder wir weichen auf die
Vollbereichshörner aus, womit wir bei Bruce Edgar wären, der die bei
weitem angenehmsten Vertreter dieser Spezies propagiert.
Konzeptionsbedingt sind sie nur in Zwei- bis Vierwegetechnik zu haben;
je weniger Wege, desto teurer. Nur ist dies nicht jedermanns Weg.
Wir könnten aber auch in die Fußstapfen eines berühmten
Lautsprecherkonstrukteurs treten, der nicht müde wurde zu betonen: "the
midrange is where we live". Diese vielmißachtete Weisheit von Paul
Klipsch wird konstruktiv und klanglich nur dann realisiert, wenn die
Mitten nicht oben und unten abgeschnitten werden, wenn keine Weiche an
den Bereichsenden Phasendrehungen verursacht, wenn keine anderen
Chassis - zwar durch die Frequenzweiche gedämpft, aber dennoch - in die
Mitten hineinspielen. Womit wir beim Breitbänder wären. Er hat über die
Jahre hinweg fasziniert, hat Leidenschaften geweckt wie kaum ein
anderes Prinzip, er steht für Musikwiedergabe pur. Ganz nebenbei hält
er dem Druck des Kommerziellen stand; den Quad ESL63 - ein echter
Vollbereichs-Breitbänder - gibt es seit über dreissig Jahren: das ist
Branchenrekord. Ich wollte, das Lowther-Chassis wäre ebenfalls
unverändert geblieben. Denn leider ist der Quad nicht empfindlich. Und
bei aller Begeisterung für seine Vorzüge klingt er ein wenig schlapp,
untenrum mulmig, oben rum weggesoftet. Eben unempfindlich. Der Ausweg
aus diesem Dilemma ist so einfach zu finden wie die Röhrentechnik: man
muss in die Vergangenheit schauen.
9.4 Wie sie sind, was sie auszeichnet
Die Antwort liegt in jener Ära, in der Radios Single-Ended mit einer
EL84, EL 41 oder UL41 betrieben wurden und eine Leistung von vier bis
fünf Watt hatten. Schalltechnisch gesehen werden diese Geräte mit
gelochter Rückwand betrieben, das Funktionsprinzip ist das einer
offenen Schallwand. Deshalb sind alle Chassis ungeeignet, die von 100Hz
bis 1kHz weniger empfindlich sind; mit ihnen wäre bei der verfügbaren
Leistung kein ausreichender Schalldruck zu erzielen; selbst dann nicht,
wenn der Radio-typische Baßregler voll aufgezogen würde.
Ob ein Chassis etwas taugt, ob es im gesamten Frequenzbereich
empfindlich ist, läßt sich einfach genug feststellen. Der Beste, der
aussagefähigste Test besteht darin, den bzw. die Schallwandler
mindestens sechs Wochen lang auf einer offenen Schallwand zu hören. Ein
Brett von 70 cm Breite und 100 cm Höhe genügt dazu; das (Haupt-)
Chassis muss exzentrisch montiert werden. Dabei sollen auf gar keinen
Fall frequenzgangkorrigierende Maßnahmen gebraucht werden. Also keine
Notchfilter, keine Lautstärkeanpassung des Hochtöners, garnichts.
Alle Schallwandler, die bei diesem Test versagen, geben bestenfalls
einen zweitklassigen Lautsprecher ab. Kleine Anmerkung aus meiner
Praxis: Jeder neuere Lowther versagt, einen alten Supravox zum Beispiel
kann man akzeptieren.
Zurück zu den frühen Radiochassis. Sie haben außergewöhnlich viele
Gemeinsamkeiten. Die Magnete sind aus Alnico. Ferritmagnete,
international oft Keramikmagnet geheißen, wurden erst ab 1957
eingeführt. Verglichen mit manchem modernen Wandler sind die
verwendeten Alnicos überraschend klein, die Höchstempfindlichkeit wird
nicht über die Magneten erreicht, sondern auf anderen Wegen. Dahinter
steht die Einsicht, die Renaud de Vergnette (von Triangle)
wiederentdeckt und gemessen hat (L’Audiophile No.5, Juni / Juli 1989):
Der Magnet ist ein Speicher für mechanische Schwingungen, rappelt beim
Betrieb des Chassis und schafft parasitäre Resonanzen, die einer
präzisen Schallwandlung nur schaden können. Das wußten die
Konstrukteure der frühen Jahre und bauten dementsprechend kleine
Magneten. Nebenbei bemerkt schafft einseitige Gigantomanie mehr Problem
als sie löst; es sind die schrecklichen Simplifizierer, die so banal
werkeln. Ein echtes Verständnis des elektrodynamischen Schallwandler
konstruiert anders.
Die LS-Körbe sind leicht, aus gestanztem Blech und -erst einmal
eingebaut- überraschend resonanzarm. Auch dort spielt parasitäre
Schwingungsenergie kaum eine Rolle. Über fünfzig Jahre später sollte
der Flugzeughersteller Airbus in aufwendigen Forschungsreihen belegen,
dass es schwingungstechnisch das beste ist, ein Blechteil gezielt in
mehrere Partien zu zerlegen und dann mit möglichst wenig
Verbindungspunkten zum Ganzen zusammenzufügen. Ein führender Hersteller
der fünfziger Jahre hat so Lautsprecherkörbe gebaut!! Dies Beispiel
zeigt stellvertretend für viele andere, mit welchem Können die
damaligen Lautsprecher entstanden sind. Die Luftspalte sind extrem
klein; heutige 20er Chassis haben typisch 4 mm und mehr, alte 1 mm. Bei
Hochtönern habe ich schon 0.8 mm gemessen. Und in diesem einen
Millimeter sind die Papiermembran und die darauf verklebte Spule
untergebracht – ohne irgendwo anzustoßen! Solche phänomenalen Werte
sind nur mit Präzisionsfertigung zu erreichen; diese Radiochassis
stammen aus der Ära, in der geschickte Frauenhände (die heute als
unnutzer Kostenfaktor gelten) die Montage ausführten. Die
Papiermembranen schließlich weisen uns die Grenzen. Sie sind heute
nicht mehr herstellbar. Wie so manches andere; jahrhundertealte
Stradivaris können wir genauso wenig duplizieren wie jahrzehntealte
Röhren, mit all unserer Hochtechnologie schaffen wir weder so gute
Geigen noch so gute Röhren, so gute Papiermembrane auch nicht.
Dass das so ist, haben die Elektrogitarristen gleichermaßen
festgestellt: Der Klang eines Jensen P12Q aus den fünfziger Jahren ist
mit heutigen Gitarrenchassis nicht erreichbar (Fachblatt Musikmagazin
6/97). Wir stehen nicht allein, wenn wir die fabelhaften Eigenschaften
alter Schallwandler konstatieren, wir reihen uns vielmehr unter all
jene ein, die das vor uns bereits herausgefunden haben.
9.5 Unbekannte Qualitäten
Qualität wird erst möglich durch die Optimierung vieler Faktoren, vor
allem derjenigen, die mehr erahnt als wissenschaftlich - technisch
erfaßt werden. Frederik Forsyth bringt es auf den Punkt: "In matters of
technical skill there are four levels - competent, very good, brilliant
and a natural" (The fist of God). Von der Arbeit solcher Naturtalente
sprechen wir, wenn es um Radiochassis geht. Es ist nicht zufällig, dass
unter Kennern die Röhren dieser Ära denselben legendären Ruf genießen.
Und das hat nichts mit Nostalgie zu tun, es ist vielmehr der ultimate
Trip für Perfektionisten. Jeder, der mal mit einer chinesischen 2A3
oder 300B begonnen hat und danach zu einer RCA monoplate oder alten
WE300B aufgestiegen ist, weiß Bescheid; bei aller Preiswürdigkeit der
Nachbauten steht fest, dass sie die Originale nicht erreichen. Diesen
Test kann man auch bei Lautsprechern machen, mit denselben Ergebnissen:
die alten sind die besseren.
20er Radio-Chassis haben in der Regel keinen zweiten inneren Konus.
Dementsprechend reicht der Frequenzgang bis 10 KHz, was einen
zusätzlichen Schallwandler für höhere Frequenzen erforderlich macht.
Diese Zusatzchassis, zwei Stück, mit einem Kondensator abgetrennt (und
damit elektrisch vor Zerstörung geschützt), setzen bei 7 KHz ein. Es
handelt sich also um eine (in heutiger Sprache) anderthalb - Wege -
Konzeption, die einen Breitbänder mit einem Superhochtöner kombiniert
und sich durch das Fehlen einer normalen Frequenzweiche auszeichnet.
Das ganze wird in ein 40 bis 50 l großes Gehäuse eingebaut, aus sehr
dünnem Birkensperrholz mit mindestens 7 Lagen. Wem das suspekt
erscheint, sollte sich zunächst mit einer Sperrholzkiste vom Baumarkt
oder IKEA behelfen. Denn Tischlermeister, die solch ein Material führen
und ordentlich verarbeiten können und obendrein solch einen Auftrag
annehmen, sind im Heimwerkerland sehr rar geworden. Das Gehäuse wird
ventiliert über ein Baßreflexrohr und mit akustischem Schaumstoff
bedämpft. Bei der heute bevorzugten Gigantonomie ist dies ein
ungewöhnliches Konzept, doch in den Funkschauen und Firmenunterlagen
der 50er Jahre, den alten Radios und Gitarrenverstärker wurden
ungedämpfte, dünne Wände verwendet, weil die Gesetze der Akustik auch
damals schon galten.
Drei Lautsprecherklassiker haben dieses Konzept bis in die 80er Jahre
gerettet und wurden deshalb von den Kritikern der deutschen Fachpresse
buchstäblich "in die Zange genommen". Doch während die Kritiker von
einst längst vergessen sind, werden diese Lautsprecher mit 12 mm
Seitenwänden noch immer gesucht: Spendor BC1A, Spendor 75/1 und der BBC
LS3/5A. Im übrigen schaffen es Flugzeugbauer, die brüllend lauten
Triebwerke im innerem des Flugzeuges auf Autoniveau zu dämpfen, obwohl
sich dicke Wände oder die beliebten, schweren Antidröhnmatten
selbstredend verbieten. Aber die Herren Akustiker reden ja auch nicht
von Steifigkeit der Wände, sondern von Transmissionsverlusten, was der
physikalischen Wahrheit sehr viel näher kommt.
Rundfunkchassis bestechen durch eine hinreißende Dynamik und
mikroskopische Feinzeichnung; Ausgewogenheit und Homogenität sind kein
Thema, von beidem gibt es mehr als anderswo; Natürlichkeit und
Plastizität verleihen ein einzigartiges Gefühl von Lebensnähe;
menschliche Stimmen schließlich, dass Maß der Dinge in den Mitten,
kennt niemand in der Wiedergabe, solange er nicht einen mit diesen
Chassis gebauten Lautsprecher gehört hat. In einer Zeit, in der Freaks
allmählich herausfinden, dass Radiosammler die EL84 aus den Goldenen
Jahren längst aufgekauft haben, denn es gab und gibt keine besseren,
sollte man sich damit beeilen zu entdecken, dass die "goldenen"
Radiochassis ebenfalls die besten waren. Und sind. Noch ist es erst
fünf vor Zwölf. Es könnte aber leicht möglich sein, dass ein solches
Gerät sehr viel besser ist als die vorgeschalteten Komponenten, die
unheimlich gekostet haben, und dass es diese Komponenten gnadenlos als
Blender entlarvt, obwohl sie von - angeblich - renommiertesten
Entwicklern stammen.
Also Vorsicht! Wir sprechen hier über die besten jemals gebauten
Schallwandler, über jene Originale, zu denen nichts Vergleichbares
existiert. Und die es nie wieder geben wird.
Doch zum fertigen Lautsprecher ist es naturgemäß ein Stück Weges.
Jedem, der unbedingt selber bauen will und der noch keine eingehende
Erfahrung mit Hochempfindlichen hat, möchte ich dringend anraten, mit
der offenen Schallwand zu beginnen und sich dann Schritt für Schritt
voranzutasten.
9.6 Alternativen?
Wir werden immer wieder gefragt, ob es denn gar keine heutigen
Lautsprecher mit diesen Qualitäten gäbe. Die Frage ist berechtigt,
schließlich sind alte Rundfunkchassis nicht leicht zu bekommen. Und es
werden immer wieder dieselben Namen genannt. Da ist zum einen Supravox.
Den originalen gibt es nicht mehr, oder gerade schon wieder, oder
jemand hat gehört, er solle demnächst neu aufgelegt werden, nur weiß
keiner, wo er denn zu bekommen sein wird - es ist eine traurige
Geschichte, die dieses Chassis keineswegs verdient hat. Um die
Verwirrung komplett zu machen, wurde er mal mit, mal ohne Alnicomagnet
geliefert. Ist denn der 17er Triangle ist kein Ausweg? Leider nein, wie
Messungen von Klang & Ton zeigen (No.4, 1993); unterhalb von 1 khz
fällt er auf unter 85 dB ab. Er teilt diese Schwäche mit den
japanischen Fostex-Chassis, die sinnigerweise mit denselben backloaded
Hornkonzeptionen vorgestellt werden, die wir vom Lowther kennen, denn
sie benötigen diese genauso verzweifelt wie die Lowther. Alle diese
Geräte eignen sich leider kaum, eine Brücke zu alten Konzeptionen zu
schlagen.
Bleibt der PHYP zu erwähnen. Innerhalb der heute gefertigten
Breitbänder gehört er zu denjenigen, die eine sehr sorgfältig
gefertigte Papiermembran haben. So ist es doppelt schade, dass er einen
dicken Magneten und einen mächtigen Korb verwendet, der angeblich aus
Glockengußbronze (?!) sein soll. Verglichen mit alten Radiochassis
fehlt dem PHYP der passende Superhochtöner, und ohne diesen ist der
Frequenzverlauf obenrum zu eingeschränkt. Außerdem fällt in einem
offenen Gehäuse unterhalb von 200 Hz der Pegel mit 12 dB pro Oktave ab
– das sage nicht ich, das sagen die Gesetze der Akustik. Leider wird
der Preis der Angelegenheit die so wünschenswerte Verbreitung etwas
behindern. Vergleicht man die von uns favorisierten alten Radiochassis
mit dem PHYP, egal in welchem Gehäuse er spielt, kann man vorzüglich
hören, durch welche Qualitäten die Originale sich auszeichnen.
Einsteigern empfehlen wir deswegen ein anderes, viel zu wenig bekanntes
Chassis, den Beyma 8AG/N. Dieser 20er ist bei Profimusikern beliebt –
zurecht. Er ist ein Vollbereichswandler mit zweitem inneren Konus,
ausgestattet mit einem Blechkorb, der wie bei alten Radios für die
Montage von innen ausgelegt ist. Der Keramikmagnet fällt angesichts des
günstigen Preises nicht hemmend ins Gewicht. Extrabonus des Beyma ist
seine Robustheit, wie sie Profimusiker schlichtweg verlangen. Dazu
sollte man sich ein handelsübliches Gehäuse aus möglichst dünnem MDF
kaufen oder von einer Tischlerei, die auf Lautsprechergehäuse
spezialisiert ist, bauen lassen. Entsprechende Adressen findet man in
den deutschen Magazinen für Lautsprecherbauer. Insgesamt ergibt sich so
eine erfreuliche Einsteigerdroge in die Welt der empfindlichen
Breitbänder. Wir ziehen sie allen anderen, vom HiFi-Handel angebotenen
Alternativen vor.
9.7 Nachwort für Ungläubige
Selbstverständlich übertreibe ich maßlos - das tut jeder im High End.
Und niemand muss mir glauben. Hinwiederum: Bestimmte alte Röhren sind
einzigartig, sie bleiben unerreicht. Bestimmte alte Schallplatten... -
okay, das hat sich inzwischen rumgesprochen. Bestimmte alte
Musikinstrumente...- na ja doch, bereits alle als Kapitalanlagen
gesichert (Stradivaris werden auch zukünftig unerreicht bleiben).
Bestimmte alte Chassis für E-Gitarren...- ja, ja, längst vollständig
abgegriffen. In allen diesen Fällen geht es um Qualität, schiere,
überwältigende, unerreichte Qualität. Wenn sich denn einer wundert,
dann sollte er darüber staunen, dass ausgerechnet die Radiochassis
unbeachtet geblieben sind. Eine marktwirtschaftliche Betrachtung zum
Schluß. Als sich die Einsicht verbreitete, dass RCA 2A3 monoplates
großartig sind, explodierten die Preise; diese Röhren sind inzwischen
so gut wie nicht mehr erhältlich. Dem New Old StockHandel, mit
seinem zwischenzeitlich vorzüglich laufendem Geschäft nachgebauter
alter Röhren zu Preisen alter Originale, ist es so recht, denn tausend
alte Lautsprecher beanspruchen halt ein anderes Volumen im Lager als
tausend alte Röhren aus Militärbeständen, die er sich vor Jahren für
wenig Geld sichern konnte.Dem High - End - Handel ist es
unbedingt recht, wenn Radiochassis unbeachtet bleiben, er kann dann in
Ruhe von anderen Verkäufen leben. Mir ist es ebenfalls durchaus recht,
wenn weiterhin nur wenige diese großartigen höchstempfindlichen Chassis
suchen; ich kann dann diejenigen, die mich noch interessieren, leicht
und gut auftreiben. Und so könnte eigentlich jeder zufrieden sein.
- GW -
Wem nun dieser Artikel Appetit auf mehr gemacht hat : Aus
Götz Wilimzig / Rüdy Gysemberg:
Höchst Empfindlich
Das Buch über Röhren, Radiolautsprecher und Retro-HiFi.
Und über Musik.
Mailadresse Dr. G.
Willimzig : gwilimzig@freenet.de
Alt vs. Neu
2 x Grundig
Ein Körting
Ein Philips
Ein Saba
Telefunken und Siemens
O 85 und Eigenbau
5 Lautsprecher im Test
Mittlerweile ist das Buch erschienen, es wird
allerdings nicht über den Buchhandel, sondern über Direktverkauf
vertrieben.
Die Bestell-Adresse (Mailadresse) für dieses Buch ist gwilimzig@freenet.de
Ich (Jogi) besitze dieses Buch seit einiger Zeit, und ich lese jedesmal
mit steigendem Vergnügen und echter Begeisterung darin. Lebhaft, gut
verständlich, sehr nachvollziehbar werden hier die Themen
Verstärkerbau, Lautsprecher und LS-Boxenbau besprochen. Es werden
Verstärkerschaltungen gezeigt die ich, würden sie nicht unter den
Copyrightschutz fallen, schon lange auf meinen Seiten gezeigt hätte...!
Reihenweise werden Voodoobehauptungen unzähliger selbsternannter
Voodoo"priester" durchleuchtet und widerlegt, jedoch ohne Namen zu
nennen.
Ich muß sagen, es gefällt mir was ich darin lese, was und wie es
geschrieben wurde. Eigentlich ist es ziemlich unverständlich für mich,
ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum hier der Weg des
Privatvertriebs gewählt wurde. Dieses Buch hätte ganz sicher die Kraft
und die Fähigkeit, einen Platz in den "ewigen" Hitlisten zu bekommen. -
So wird es, wahrscheinlich, nur einen Nischenplatz bekommen.
Wirklich schade!
- Jochen